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Samstag, 1. Dezember 2007

offener brief (der nächste woche an die presse soll)

Liebes Hamburg!

Vertreten durch die Hamburger Bürgerschaft und dem Hamburger Senat!


Ich wende mich an deine Volksvertreter, damit ich meinen Dank einer Person entgegenbringen kann - in diesem Fall der Personengruppe - die durch die Gestaltung deiner dazu beigetragen hat, dass du so bist, wie du bist.

Du bist eine wunderbare Stadt.

Ich habe meine alte Heimat, die sonnige Südpfalz, verlassen, um hier zu studieren. Ihr habt es mir leicht gemacht. Meine Hochschulreife konnte ich hier ohne Probleme erlangen. So konnte ich mein Ziel, den Bürgern und der Gesellschaft in Hamburg professionell zur Seite zu stehen und das Stadtbild weiter zu verschönen, näherkommen.

Ich begann an der Hochschule für angewandte Wissenschaften ein Studium der Sozialen Arbeit.

Das Studium dort zeichnet sich durch fundierte Grundlagen und besonders große Praxisnähe aus. Durch die Rahmenbedingungen, die Bürgerschaft und Senat geschaffen haben, wird diese Praxisnähe noch verstärkt.

Ich versteh nun die Sorgen und Ängste von Menschen in Not. Geldsorgen, Behördenbetteln, working poor , mangelnde Teilhabe an der Gemeinschaft, Nichtwissen, wie man seine Rechungen und sein Essen bezahlen soll – all das und mehr sind für mich nun keine leeren Begriffe mehr aus Literatur und Vorlesung.

23 Stunden pro Woche verbringe ich an der Hochschule. Dazu kommen 27 Stunden, die ich zur Vor- und Nachbereitung und dem Lernen zubringe.

Finanzieren kann ich dies durch eine studienbezogene Halbtagsstelle. Zu diesen 4 Stunden täglich kommen noch ungefähr 2 Stunden Fahrzeiten, bei denen ich das wunderbare Stadtbild bewundern darf. Damit verdiene ich so um die 930 €, die ich, sofern es mir denn gelingt, durch Nacht- und Wochenendaufschläge noch um ein paar wenige Euro aufstocken kann.

Ich habe eine schöne Wohnung gefunden, für die ich alles drum und dran etwa 500 € Miete ausgebe. Natürlich habe ich an eine netten Hamburger untervermietet, sodass ich nicht so einsam bin. Alleine wohnen, das ist natürlich nicht drin. Ebenso wenig wie ausgehen. Aber ich studiere ja auch soziale Arbeit und nicht Kultur!

Ich bin ja nun schon 33 und damit als Student freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse weiter versichert. Dieses ist Muss und trägt wunderbar zu meinem Studium bei. Man hat dies allerdings erst nach einigen Monaten festgestellt, weshalb ich schlagartig mit 1600 € Schulden dastand und der Gewissheit, auch in Zukunft nicht zu wissen, wie ich die monatlichen Versicherungsbeiträge von 165 € aufbringen soll. Mittlerweile hat sich mein Ausstand dadurch auf ca. 2500 € erhöht. Ohne Krankenversicherung darf ich nicht weiterstudieren, was die Not erhöht. Dieser Druck ist eine durch nichts zu ersetzende Erfahrung für einen angehenden Sozialarbeiter.

Durch früher bezogenes BAföG bin ich ohnehin schon mit fast 20000 Euro verschuldet. Die 500 € Studiengebühren pro Semester zahle ich, wie auch sonst, mit einem durch das Hamburger Hochschulgesetz §6c garantierten Kredit ab. Ein sehr großzügiges Angebot des Wissenschaftssenators zur Verbesserung der Lehre, um weitere Inneneinsichten in das Problem Verschuldung zu bekommen. Danke; kein Professor und kein Buch könnte mich das lehren!

Abzüglich der restlichen Zahlungsverpflichtungen bleibt mit weniger als der Regelsatz, aber natürlich muss ich nicht hungern. Kartoffeln und Reis sind ja sehr schmackhaft und in Hamburg wahnsinnig billig. Ende des Monats nutze ich das Angebot der Hamburger Tafeln, was mir jetzt schon gute Kontakte beschafft, von denen meine späteren Klienten profitieren werden.


All das garantiert mir ein ungeahnt praxisnahes Studium in Hamburg. Unbezahlbar!

Schließlich studiere ich ja um später der Stadt und ihrer Bevölkerung zu dienen - da muss man schließlich schon was in seine Ausbildung investieren, da ist es nur billig, sie sich vom Mund abzusparen.

Meine Freude über diese hervorragenden Studienbedingungen sind durch die Feststellung, dass dieser vermeintliche Bildungsvorteil keiner ist, leider getrübt, da es vielen Kommilitonen ähnlich geht., Aber auch dafür habe ich natürlich eine Lösung gefunden liebe Volksvertreter:

Jetzt im dritten Semester müssen wir uns für einen Praxisschwerpunkt entscheiden. Ich habe mich gegen Straffälligenhilfe entschieden und werde keine Erfahrungen im Bereich von Eigentumsdelikten sammeln. Statt dessen werde ich nun wohl private Insolvenz anmelden, um so nicht nur mein Studium beenden zu können, sondern vor allem auch, um ein kompetenter Dienstleister für meine späteren Kunden zu werden.

Nun bin ich zwar auf Jahre nach meinem Abschluss verschuldet, aber dafür kann ich dann ja eine der stets angeführten hochdotierten Stellen für Studierte antreten.
Als Sozialarbeiter!

Was bleibt mir anderes übrig als zu sagen: Danke! Danke! Danke!

In tiefer Verbundenheit

Dennis Michalke

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